Arbeitswelten 2013

Vom Scheitern der Strukturen

(Lina Dinkla, Kuratorin)

Die Zeit der Krisen ist noch lange nicht vorbei. Banale Binsenweiheit, zeigen sich allerorten doch Umsortierungen, machen sich gesellschaftliche Umwälzungen bemerkbar, knirscht es gewaltig im Gebälk. Doch von wo aus diese Veränderungen auch immer ausgehen und für wen auch immer sie von Vorteil sind, sie vollziehen sich quälend langsam und mit bloßem Auge sind sie kaum sichtbar. Und beim Blick auf E uropa sieht es doch auch auf den ersten Blick so aus wie immer. Die paar Aufstände, Demonstrationen und Streiks hier und da, die Rufe nach Umorientierung angesichts der immer größer werdenden Finanzkrise können den Glauben an die Richtigkeit des Systems scheinbar (noch) nicht aus den Angeln heben. Das gesellschaftlich politische Leben scheint weiterzugehen wie gehabt und der Status quo bleibt erhalten zugunsten jener wie eh und je.

Rund zwanzig Jahre sind vergangen, seit der Startschuss auch für all jene hinterm eisernen Vorhang gefallen ist, den Traum von Freiheit mitzugestalten, das Versprechen nach mehr Wohlstand einzulösen - was auch immer das im E inzelnen bedeuten mag. Dieser Traum ist tatsächlich auch noch nicht ausgelebt, doch entpuppt sich die Freiheit jedes Mal wieder als das genaue Gegenteil von einem besseren Leben. Im gleichen Atemzug mit dem Abschaffen von Sozialstaatsmaßnahmen wird mehr Freiheit verkündet, Arbeitnehmerrechte weiter beschnitten. Die Skandale häufen sich, die politisch gewollte Verarmung ist in vollem Gange. E s offenbart sich dabei ein grundlegendes Desinteresse von E ntscheidungsträgern, sich um basale Dinge zu kümmern. Zu beobachten ist eine Art Verantwortungslosigkeit auf hohem Niveau, der Staat lässt dem Markt weiterhin freien Lauf, dieser scheint das Maß aller Dinge zu bleiben.

Von der Privatisierung der öffentlichen Güter – Trinkwasser ist das aktuellste Beispiel – bis hin zur schreienden Ungerechtigkeit, dass eine Vollzeiterwerbstätigkeit nicht mehr länger zur Deckung der Lebenshaltungskosten ausreicht: so geht es doch nicht mehr weiter.

Und geht es doch. Die Reihe „Arbeitswelten“ versteht sich in ihrer zehnten Ausgabe als eine Sammlung von Schlaglichtern auf die Geschehnisse am Rande, auf das Versagen von Institutionen, auf die vermeintlich kleinen Auswirkungen, die das Sich- Auflösen von staatlichen und kommunalen Strukturen hat.

Die Arbeit und die Bedingungen, unter denen diese zu leisten ist, stellen sich daher in den ausgewählten Filmen immer auch als Spiegel der gesellschafltichen Verfasstheit eines ganzen Landes dar. Sei es die kammerspielartige Situation in Sofia’s Last Ambu lance, wo ein Team und sein Rettungswagen durch die Schlaglöcher Sofias holpert wie durch das marode Gesundheitssystem, oder 1 0 0, wo in ähnlich beengtem Raum der Athener Notrufzentrale die Frauen und Männer am Telefon als Ventil für all das dienen, was im Staate schief läuft.

In To the last penny begegnen uns jene, die ohne staatliche Unterstützung ihre Familie nicht ernähren können, und die Graduates stehen vor der ernüchternden E rkenntnis, dass das Leben außerhalb der Universität wenig mit ihren Idealen zu tun hat. Der Kurzfilm Wir sind die Mut anten schließlich blickt in die Abfertigungsmaschinerie eines Unternehmens, das aus lauter Umstrukturierungswahn ein Paralleluniversum für seine unkündbaren Mitarbeiter aufgebaut hat.

 

Filme der Sektion: