Arbeitswelten 2014

Wanderarbeit – Über Migration, Billiglöhne und ungewöhnliche Karrieren

(Lina Dinkla, Kuratorin)

Wenn man sich so Gedanken darüber macht, wie sich Migration im Laufe der Zeit verändert hat, wird man feststellen müssen, dass die Umstände und Begleiterscheinungen im Wesentlichen dieselben geblieben sind. An erster Stelle steht jedesmal die Notwendigkeit, am neuen O rt eine Möglichkeit zu finden, Geld zu verdienen. Sei es, dass jemand wegen eines neuen Arbeitsplatzes sein Land verlassen will oder auch muss oder sich mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft auf die Suche nach einer Erwerbstätigkeit begibt. Im letzteren Fall findet diese dann aufgrund meist illegalen Aufenthalts im Land (illegal nach Lesart der jeweiligen Einwanderungsgesetzgebung) im rechtsfreien Raum statt.

Doch soll es im Programm der 11. Arbeitswelten weniger um sogenannte Armutsflüchtlinge gehen, ein Stichwort, bei dem bekanntermaßen derzeit allerlei Politiker europaweit zu rechtspopulistischen Höchstleistungen auflaufen. E s sind auch weniger die konkreten Arbeitsbereiche, die bei der Filmauswahl interessant schienen. Vielmehr geht es in den fünf Filmen um vielfältige Fragen, die im Spannungsfeld Migration und Arbeit zutage treten.

So ist es in China Reverse ein Phänomen, dass auf diese Weise wahrscheinlich noch nicht oft besprochen wurde. Bei einigen Wienern mit chinesischen Wurzeln ist eine Wanderungsbewegung in die andere Richtung zu beobachten – in den neuen Boomstädten Chinas lockt einfach das größere Geld.

Dragan Nikolic wiederum begleitet ehemalige Auswanderer auf ihrer letzten Reise zurück nach Hause, über die sich wohl kaum jemand Gedanken macht. Sein Protagonist Bata arbeitet als Bestatter, bringt Verstorbene zurück zur Familie. Ländergrenzen scheinen auch auf dieser Reise nur ein Problem zu sein, wenn der richtige Stempel auf dem richtigen Dokument fehlt.

Die litauischen Arbeitsmigranten in Secon d Class sind sich über ihr Klischee vom ausgebeuteten Billigarbeiter durchaus im Klaren, und treten den Filmemacherinnen zunächst mit selbstbewusster Ablehnung entgegen. Dass sie in Schweden einiges mehr an Geld verdienen als zuhause, was soll daran verwerflich sein oder sie gar als O pfer qualifizieren? So sind es eher die Filmemacherinnen, die etwas über Vorurteile lernen und über ihre Arbeit als Regisseurin und Kamerafrau reflektieren.

La Cour de Babel führt uns ganz an den Anfang des „Berufswegs“ eines E inwanderers. Schauplatz ist eine Integrationsklasse in Paris, in der Jugendliche aus den unterschiedlichsten Ländern mit verschiedensten sozialen Hintergründen aufeinandertreffen. Trotz aller Differenzen verbindet sie die Unsicherheit in der Fremde, das mühsame E rlernen einer neuen Sprache. Der Film und seine Darsteller – nicht zuletzt die Lehrerin – vermitteln mit viel Herzblut, wie wichtig Bildung und Spracherwerb zu einer einigermaßen erfolgreichen Selbstfindung in einem neuen Land gehören, und sich nur darauf eine Berufsfindung gründen kann. Formal aus der Reihe fällt Ines Rabandans Karaoké Domestique, in dem sie sich in die Rolle ihrer Protagonistinnen begibt. Durch die Reduktion und Vermeidung jeglicher Ablenkung kommen die einmalige Persönlichkeit der dargestellten Haushaltshilfen und auch die individuellen Details ihrer jeweiligen Arbeit fast überreal zum Ausdruck.

 

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